Donnerstag, 26. Februar 2015

Interview mit Herrn Taihō Konishi

Taihō Konishi 


(bürgerlich Kōta Konishi)
geb. 1981 in Kainan (Präfektur Wakayama)

Dozent für Kalligraphie am Daikaku-Tempel in Kyōto und an verschiedenen Universitäten der Stadt
Preisträger der Studentischen Kalligraphieausstellung, der Kalligraphie-Ausstellung der Yomiuri-Zeitung, der Japanischen Ausstellung für Bildende Künste u.a.

Mitglied des „Institute for Study of Humanities and Social Sciences“ der Dōshisha Universität, Betreuer des Kalligraphieklubs der Universität

Dozent für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Osaka






Victor Fink: Aus welchem Teil Japans kommen Sie?

Taihō Konishi: Ich komme aus der Präfektur Wakayama , wo ich auch jetzt noch wohne. Meine Familie baut Mandarinen an. Gerade jetzt, Ende Mai, öffnen sich bei uns die weißen Blüten der Mandarinenbäume.

F: Wie alt sind Sie?

K: Ich bin schon 34. (lacht)

F: Für einen professionellen Kalligraphen ist das sicher sehr jung?

K: Das stimmt, die meisten anderen sind älter als ich.

F: Seit wann unterrichten Sie hier am Daikaku-Tempel ?

K: Das erste mal bin ich hierher gekommen, als ich noch 27 war. Da habe ich zum ersten mal hier unterrichtet.

F: Sie unterrichten in einer malerischen Umgebung.

K: Ja, das stimmt. Im Frühling blühen die Kirschblüten um den Osawa-Teich herum, und im Herbst verfärbt sich das Laub, es ist ein wirklich schöner Ort. Und ich glaube, der Tempel hier ist auch weitläufiger als die in Higashiyama.

F: Wie sind Sie zur Kalligraphie gekommen?

K: Ich bin zum Kalligraphieunterricht in einer privaten Schule gegangen. In Japan besuchen eigentlich alle Kinder einmal eine solche Schule. Das war meine erste Berührung mit der Kalligraphie. Aber als Erstklässler ist man da natürlich nicht sofort mit Herz und Seele dabei. 
Es gab unterschiedliche Lehrer, und das Aussehen der Zeichen, die sie schrieben, unterschied sich, wirkte anders. Das machte mich zu der Zeit neugierig. Als Grundschüler fand ich das sehr interessant. Aber ich war nicht besonders gut, andere schrieben besser als ich. 
Ich mochte es zu schreiben, schon als kleiner Junge.

F: Wie entwickelte sich diese Zuneigung zur Kalligraphie dann in der Mittel- und Oberschule?

K: Ich habe fast nur geschrieben. Ständig war ich am kalligraphieren. Aber ich dachte mir auch, dass es vielleicht besser wäre, auf eine Universität zu gehen, an der Kalligraphie nicht gesondert gelehrt wird. Die meisten Menschen in meiner Umgebung, die etwas mit Kalligraphie machten, hatten einen Kalligraphiekurs an einer Fakultät für japanische Sprache absolviert. Aber ich dachte mir, dass es doch wichtig wäre, ein Spezialgebiet neben der Kalligraphie zu haben. Darum habe ich mich dann entschieden, an die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Dōsisha-Universität zu gehen. 

F: Waren Sie an der Universität Teil des Kalligraphie-Clubs?

K: Nein, ich dachte, das Niveau des Clubs wäre sehr niedrig. Die können nichts, dachte ich mir. Mit 18 Jahren, als Erstsemester, begann ich also unter einem Meister hier in Kyōto zu lernen.

F: Wer war dieser Meister?

K: Shōsen Yoshikawa.

F: Studieren Sie immer noch unter diesem Meister?

K: Ja. Meister Yoshikawa schreibt seinen Schülern keine Schreibvorlagen , das ist seine Philosophie. Bis jetzt habe ich vielleicht fünf mal so etwas wie eine Schreibvorlage erhalten. So etwas hat er einem nicht geschrieben. Wie lernt man dann? Durch das Kopieren der Klassiker , durch exaktes Kopieren, das war Herrn Yoshikawas Credo. Das einmal gemacht zu haben ist  zentral. Sie kennen das Kinderspiel „Stille Post“. Wenn da neun Leute mitspielen, dann kommt zum Schluss eine völlig andere Nachricht als die ursprüngliche an. Und mit dem Studium der Kalligraphie ist es genauso, denke ich. Man muss die Klassiker direkt kopieren.
Auf diese Weise wird man auch lernen, eigene Werke zu schaffen. Dass der Lehrer dem Schüler eine Vorlage schreibt, bedeutet auf niedrigem Niveau zu unterrichten. Also muss man sich zunächst im Kopieren der Klassiker schulen. 
Wie schafft man dann ein eigenes Werk? Man wählt zuerst die Zeichen für das Werk aus. Sagen wir, man habe sich für das Kanji (Lesung: sei, ao; Bedeutung: grün, blau) entschieden. Dann sucht man fünf, sechs Beispiele für das Zeichen (aus einem kalligraphischen Klassiker, Anm. V.F.). Diese kopiert man dann und klebt sie auf ein Plakat.  Und wenn das zweite Zeichen dann (Lesung: san, yama; Bedeutung: Berg) wäre, sucht man sich fünf Beispiele für dieses Zeichen heraus, und klebt sie daneben. 
Dieses Plakat bildet dann die Grundlage für das eigene Werk.
Eigentlich sollte man alle Beispiele für ein Zeichen aus demselben Werk auswählen, aber wenn es nicht genug solcher Beispiele für dasselbe Zeichen gibt, sucht man in Werken aus derselben Periode. Dabei sollten diese Werke auch möglichst in derselben Tradition stehen wie dasjenige, von dem man ausgeht. Nimmt man ein Werk des Wang Xi-Zhi als Ausgangspunkt, sucht man nach Werken von Kalligraphen, die ihn studiert haben.

F: Sie sind also nicht direkt von Herrn Yoshikawas Stil beeinflusst.

K: Das stimmt, aber es stimmt auch nicht. Ich bin sehr stark durch Herrn Yoshikawa beeinflusst. Meine Haltung zur Kalligraphie, das habe ich alles von ihm gelernt. 
Durch Schreibvorlagen wird man leicht zu sehr beeinflusst. Wenn man mal darüber nachdenkt, ist es schon komisch. Man studiert, weil man ein eigenes Werk schaffen möchte, aber dann ist da schon die fertige Vorlage des eigenen Lehrers!

F: Welchen Schreibstil schätzen Sie bei den Klassikern besonders?

K: Ich mag weiche, fließende Zeichen lieber als gerade, harte Linien.

F: Seit wann unterrichten Sie selbst?

K: Mit 24 habe ich den Kalligraphie-Club der Dōshisha zum ersten mal besucht, und dort unterrichtet. Das war das allererste Mal, glaube ich. Aber das kann man eigentlich nicht unterrichten nennen, wir waren ja alle ungefähr gleich alt. Es war eher so, dass wir zusammen gelernt haben. Je größer der Altersunterschied zwischen mir und den Studenten im Kalligraphie-Club wurde, desto mehr nahm es die Form von Anleitung an.
Auch da habe ich auf das geachtet, was Herr Yoshikawa sagte: Ich schreibe dir keine Vorlagen. Im Prinzip war es dieser Stil. Ich denke, Studenten haben kein Problem auf diese Art zu lernen.

F: Sie fingen dann an, nach und nach selbst zu lehren. Kamen Sie zu dieser Zeit in Berührung mit der Kyōtoer Kalligraphieszene?

K: Kalligraphie in Kyōto. Kyōto besitzt einen ganz eigenen Charakter. Der Charakter des Kyōtoers ist einzigartig, weil sich hier einfach viel zu viel historisch Bedeutsames zugetragen hat. Man sagt ja, alles hier habe etwas von der „alten Hauptstadt“. (古都的) In dieser Kultur lag das Schöne in der Andeutung, im Unausgesprochenen.
Vergleicht man die Kalligraphie in Kyōto mit der an anderen Orten, so legt man hier verstärkt Wert auf das Geistige. Die Tuschespuren der Zen-Mönche ( Bokuseki ) vermitteln den Eindruck, den größten Wert auf den Ausdruck des Charakters, des Geists des Schreibenden zu legen, unabhängig von Überlegungen zum ästhetischen Wert des Werks. Hier neigt man auch dazu, lieber zu verbergen als zu enthüllen, zu präsentieren.
Kalligraphie aus Kyōto mag weich und zart wirken, aber ihre Linien sind sehr scharf. Ich denke, dass man im Vergleich mit den Kalligraphen in Osaka und Nara eine solche Tendenz ausmachen kann.

F: Mit welchen Kyōtoer Kalligraphen sind Sie besonders gut bekannt?

K: Ich bin mit Herrn Minoru Hibino bekannt. Herr Hibino ist aber eine solche Koryphäe, ich weiß nicht, ob ich da einfach von einem Bekannten reden kann. Als ich an die Dōshisha kam, dachte ich zuerst, diese Universität hätte nicht das geringste mit Kalligraphie zu tun. Ich trat ja auch dem Kalligraphie-Club nicht bei. Aber an der Fakultät für Literatur wurde Kalligraphie gelehrt, und der Dozent war Herr Hibino. Sein Großvater ist Gohō Hibino , ein berühmter Kalligraph, und sein Vater ist Kōhō Hibino, auch er eine Koryphäe. 
Herrn Hibinos Unterricht war sehr interessant. Vielleicht ähnelt mein Stil seinem ein wenig. Auch haben wir beide nicht an einer Universität studiert, die ein Renommee für Kalligraphie besitzt.

F: Wie kamen Sie zu ihrem Künstlernamen  Taihō?

K: Für eine lange Zeit war mir so etwas wie ein Künstlername zuwider. Man erhält einen Namen: man nimmt sich ein Zeichen des Namens des Meisters, und verwendet es dann im eigenen Namen. So etwas Konventionelles gefiel mir gar nicht, und noch dazu ist man ja noch ein Niemand, auch wenn man es vielleicht nicht in dieser Klarheit sagen sollte. Ich wollte mir so etwas Anmaßendes nicht zulegen. Aber irgendwann dachte ich, dass ich beim Kalligraphieren meine Grundstimmung ändern möchte. Es kam eine Zeit, in der ich es schwierig fand, beim Verfassen akademischer Texte und beim Kalligraphieren im Geiste der gleiche Kōta Konishi zu sein. Deshalb ändere ich meinen Namen, wenn ich kalligraphiere. 
Weil ich Gohō Hibino verehre, erhielt ich von seinem Namen das Zeichen (hō, Phönix). Das Zeichen kommt auch in dem Namen des Malers Saihō Takeuchi vor, aber das habe ich nicht bewusst so gewählt. Ich wollte einen Namen, der Wiedererkennungswert besitzt und einen sanften Klang hat.

F: Wie ist es jetzt? Mögen Sie Ihren Künstlernamen?

K: Ich finde ihn nicht schlecht. Ich kann mich in eine andere Stimmung bringen, also passt das.

F: Machen Sie sich viele komplizierte, theoretische Überlegungen, bevor Sie an ein Werk herangehen?

K: Kalligraphische Werke in großem Format schreibe ich natürlich in einem Schwung. Aber ich plane das Werk vorher mit Bleistiftskizzen, wo es länger oder kürzer, breiter oder schmaler sein soll. Manche Kalligraphen verwenden viel Zeit auf diese Vorarbeit, ich aber eigentlich nicht so sehr. Trotzdem mache ich mir natürlich vorher Skizzen.
Und bei den Kanji ist es ja anders als bei anderen Bildern: Setzt man einen Punkt, eine Linie nur ein bisschen daneben, hat man ein falsches Zeichen. 
Aber schließlich ist es so: wenn man zu viel hin und her denkt, klappt es nicht. Ich kann nichts Gutes schaffen, wenn mein Kopf voller verschiedener Gedanken ist. Etwas Gutes kann ich schaffen, wenn ich über nichts nachdenke.

F: Worin sehen Sie den Charakter Ihrer Kalligraphie?

K: Ich finde es schwer, mich selbst zu beurteilen. Zunächst einmal: reihte man meine Werke nebeneinander auf, könnte man meinen, das habe nicht die gleiche Person geschrieben. 
Insgesamt dominieren in meiner Kalligraphie vielleicht eher runde Formen und Linien. Auch hat man mir schon über meine Werke gesagt, dass das eine Frau geschrieben haben könnte. Das rührt wohl von der Affinität meiner Linie zu den Kana-Zeichen her. Zu meinem Charakter passen eher Schriftstile wie Konzeptschrift und Laufschrift, viel eher als die harte Regelschrift. Aber ich schreibe natürlich trotzdem auch in diesem Stil.

F: Was halten Sie von Kalligraphie-Performances ?

K: Ursprünglich fand ich, man sollte keine solchen Performances machen, wie ein Straßenkünstler. 
Aber jetzt denke ich, dass eine Performance eine gute Gelegenheit bieten kann, Kalligraphie einer größeren Zahl von Menschen näher zu bringen. 
Das Image der Kalligraphie war bisher das einer Kunst mit steifen Regeln, formal und unflexibel. Und ich dachte, ein solches Denken sei auch nur richtig und angemessen. Aber wenn man beispielsweise altchinesische Knochenschrift für ein Wandgemälde in irgendeinem Geschäft verwendet, kann dabei etwas wirklich interessantes entstehen.

F: Was denken Sie über die Stellung der Kalligraphie im heutigen, modernen Japan?

K: Kalligraphie war ursprünglich kein Teil der Japanischen Ausstellung für Bildende Künste (日本美術展覧会、kurz 日展, nitten), sie kam später als fünfte Sparte der Ausstellung hinzu. 
Irgendwann in der Meiji-Zeit behauptete Shōtarō Koyama, Kalligraphie sei keine Kunst . Was ist Kalligraphie dann? Ich denke, man hat sie immer als Teil der Gelehrsamkeit, der klassischen Bildung begriffen. 
Und das ist ist der Stand der Dinge. Deshalb ist Kalligraphie teil von Kunstausstellungen, aber als Kunst wird sie nicht behandelt. Als was sieht man sie dann? Zum Beispiel als den Teil im Japanischunterricht an der Schule, in dem man lernt, richtig und sauber zu schreiben. Als Kunst wird Kalligraphie nicht behandelt.

Heutzutage schreibt man weniger mit der Hand, Texte werden eingetippt. Ich besitze ja auch einen Tabletcomputer.
Das Schreiben mit dem Pinsel ist eine ganz besonderes Art zu schreiben, die nicht mehr viele Menschen praktizieren. Auch wenn diese Art zu Schreiben nicht in der Breite der Gesellschaft überleben wird, so wird sie doch von einer kleinen Zahl weiterhin leidenschaftlich gepflegt werden.
Dadurch dass der Kalligraphie der praktische Nutzen genommen wurde, rückt ihr künstlerischer Wert in den Vordergrund, und sie erfährt so eine neue gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Auf diese Weise wird die Kalligraphie fortbestehen.

Aber ich kann natürlich nicht in die Zukunft sehen.



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▲ (Zurück) Wakayama
Präfektur im Süden Kyōtos, die für ihre schöne Natur berühmt ist
Offizielle Website



Daikaku-Tempel jap. Daikakuji (大覚寺) Der Tempel liegt in Arashiyama, einem Bezirk im Westen Kyōtos. 876 wird aus der kaiserlichen Residenz Kaiser Sagas der Daikakuji, gegründet durch Prinz Tsunesada. Auch heute noch ist die Verbindung des Tempels zum Kaiserhaus sehr eng (ein Monseki-Tempel). Im Tempel werden Sutren von der Hand japanischer Kaiser aufbewahrt. Es gibt dort auch eine bekannte Ikebana-Schule. Offizielle Website



Dōshisha-Universität

Universität in Kyōto, nördlich der kaiserlichen Gärten gelegen. Gegründet 1875 von Jō Niijima, einem der "Sechs Großen Pädagogen der Meiji-Zeit" (明治六大教育家). Die Dōshisha ist eine der renommiertesten privaten Universitäten Japans.
Offizielle Website



Die Schreibvorlage, jap. Tehon (手本)
wird vom Meister für den Schüler angefertigt, der diese dann kopiert. Doch wie gekonnt diese Vorlage auch sein mag: Man kopiert eine Kopie. Das bedeutet, die Klassiker wie durch einen Filter zu erfahren.


Kopieren der Klassiker, jap. Rinsho (臨書)
Das Kopieren der Klassiker dagegen meint das Studium der großen Meister der Vergangenheit. Hierbei gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten: vom simplen Abpausen bis zur Wiedergabe vollkommen aus dem Gedächtnis.


Wang Xi-Zhi 王羲之, jap. Lesung: Oo Gishi
303-361 n.Chr.
chinesischer Kalligraph, Gelehrter und Politiker
Wang Xi-Zhi wird von vielen als der bedeutendste und einflussreichste Kalligraph aller Zeiten beschrieben. Zahlreich seiner Werke (etwa das "Vorwort zum Orchideenpavillon" (欄亭序) oder das "Sōranjō", die Kopie eines Briefes Wangs (喪乱帳) gelten als unsterbliche Klassiker. Die Werke dieses großen Kalligraphen sind uns leider nur durch Kopien überliefert, Originale sind nicht erhalten.



Bokuseki
jap. Zenrin-Bokuseki 禅林墨跡 bezeichnen die Kalligraphien der Meister des Zen. (In China bezeichnet der Begriff allgemein originale Kalligraphien eines bestimmten Meisters) Zusammen mit dem Zen-Buddhismus und dessen Philosophie erreicht Japan im 14. Jhdt die Kalligraphie des Zen . Typische Merkmale dieser Kalligraphie sind etwa das Ablösen von überlieferten Formen und Ausdruck des Selbst.
Links: Bokuseki am Tōfukuji in Kyōto, nach der Überlieferung von der Hand des chinesischen Mönchs Zhang Ji-zhi (張即之)



Gohō Hibino, jap. 日比野五鳳
1901-1985
Einer der bedeutendsten Kalligraphen der Shōwa-Zeit(1926-1989). 1912 zieht Hibino nach Kyōto. Ab 1948 widmete er sich ganz der Kalligraphie. Hibino war in der Kana-Kalligraphie tonangebend.
Gedenkmuseum in der Präfektur Gifu


Gagō, der Künstlername

In den traditionellen Künsten Chinas und Japans besitzt der Künstler stets ein Alias (oder auch mehrere). Meist wählte sich der Künstler dieses Alias selbst, heute ist es üblich ein Zeichen vom eigenen Meister zu übernehmen. Hatte die eigene Kunst eine neue Qualität, sozusagen die nächste Stufe, erreicht, gab man sich oftmals einen neuen Namen.


Daijisho (Kalligraphie in großen Zeichen)

sind auf großformatigem Papier (70cm x 136cm, teils größer) ausgeführte Kalligraphien. Sie werden in der Regel mit einem großen Pinsel und einer großen Menge Tusche geschrieben, der ganze Körper kommt im Schreibprozess zum Einsatz. So entstehen oftmals sehr expressive Werke.
Daijisho, vorgeführt bei der 63. Kalligraphie-Ausstellung der Mainichi-Zeitung 2011 , Kalligraphie von Kyōhei Saitō (齋藤恭平)


Kana und Weiblichkeit
In der japanischen Schriftgeschichte existierten zwischen den zwei Arten der Kana Grenzen des Geschlechts: Katakana (und Kanji) wurden von den Männern, Hiragana von den Frauen verwendet. Die kantigere Form der Katakana und die weicheren, runden Formen der Hiragana, dazu der historische Hintergrund, wecken auch heute noch diese Assoziation.
カ    か
Das Kana-Zeichen für "ka": links in Katakana, rechts in Hiragana


Kalligraphie-Performance
bezeichnet die Inszenierung von Kalligraphie als Show. Zumeist nehmen mehrere Personen teil und schreiben auf ein Papier von mehreren Meter Länge, im Hintergrund spielt Musik, die den Rhythmus der Kalligraphie bestimmt.
Kalligraphie-Performance der Mishima High School (Präfektur Ehime) auf dem "Kōshien der Kalligraphie-Performances 2013" 
Website des "Kōshien der Kalligraphie-Performances"
(Anmerkung: Der "Kōshien" ist der wichtigste Wettbewerb im japanischen Oberschul-Baseball (High School Baseball). Diese Bezeichnung verwenden daher viele der großen Wettbewerbe für Oberschüler)


Japanische Ausstellung für Bildende Künste
jap. Nihon Bijutsu Tenrankai 日本美術展覧会, kurz Nitten 日展
Die Ausstellung wurde 1926 begründet, Kalligraphie ist seit 1946 als eigene Kategorie vertreten. Der Anspruch ist es, die japanische Kunst in ihrer ganzen Breite zu präsentieren. Es existieren die fünf Kategorien japanische Malerei, westliche Malerei, Skulptur, Kunsthandwerk und Kalligraphie. Erst vor kurzem musste sich die Sektion für Kalligraphie dem Vorwurf unfairer Auswahlkriterien und der Bevorzugung einzelner kalligraphischer Schulen stellen.


Der Disput um den Kunstcharakter der Kalligraphie in der "Zeitschrift für Ostasiatische Kunst" (1882) (jap. 書は美術ならず論争)
Die Parteien in dem Disput waren Shōtarō Koyama und Tenshin Okakura. Koyama behauptete unter anderem, durch das Medium der Schrift und die dadurch vorgegebenen Beschränkungen der Kalligraphie fehle dieser jede Originalität, eine Grundvoraussetzung der Kunst. Schrift kann nicht Kunst sein.  Okakura bestritt Koyamas Thesen, der Disput dauerte etwas über ein halbes Jahr an.
Analyse des Disputs unter Einbezug der intellektuellen Trends der Meiji Zeit von Oono Kanako (japanisch)


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